Vertreibungsverbrechen an den Deutschen „Von den 4000 Zurückgebliebenen endeten in den ersten 14 Tagen über 500 durch Selbstmord.“
Aus den Ostdokumenten der Bundesregierung.
Über die Vertreibungsverbrechen an Deutschen
Niemals vergessen!
(Dok. V./1/2/Nr. 221 und Nr. 297)
Pfarrer Georg Gottwald, Dechant von Grünberg:
„Von den 4000 Zurückgebliebenen endeten in den ersten 14 Tagen über 500 durch Selbstmord“
Die Russen rückten am 14. Februar 1945 in Grünberg ein. Von 35.000 Einwohnern waren ca. 4000 in der Stadt verblieben. Nach Aussagen russischer Soldaten war Stadt und Landkreis für drei Tage zur Plünderung freigegeben, in Wirklichkeit dauerte sie mehrere Wochen. Überall lohten Brände auf, ganze Straßenfronten brannten vollkommen ab. Bis Mitte Juni gab es in der Stadt weder Licht noch Wasser, die wenigen Brunnen reichten bei weitem nicht aus. Wasserwerk, Lichtzentrale wurden gesprengt, die Gastanks abgeblasen.
Die Stadt hallte bei Tag und Nacht wider vom Wehgeschrei der gequälten, vergewaltigten Einwohner, Frauen und Mädchen waren Freiwild. In mein Pfarrhaus flüchtete eine große Anzahl von Mädchen und Frauen, die zwanzig- bis vierzigmal an einem Tag in ununterbrochener Reihenfolge vergewaltigt worden waren. Lustmorde wurden mir mehrere gemeldet (Aufschlitzen des Leibes, der Geschlechtsteile, Abschneiden der Brüste usw.) Ich habe die Leichen gesehen und beerdigt. Wie furchtbar diese Greueltaten waren, läßt sich daraus ermessen, daß von den etwa 4000 Zurückgebliebenen in den ersten vierzehn Tagen über 500 Personen an Selbstmord endeten (ganze Familien, Männer, Frauen, Kinder), darunter Ärzte, hohe Gerichtsbeamte, Fabrikanten und begüterte Bürger. Die Leichen der Selbstmörder durften zwei Wochen lang nicht beerdigt werden. Sie mußten in den Wohnungen verbleiben oder wurden auf den Bürgersteigen zur Abschreckung der anderen ausgestellt. Kapitalisten (Fabrikherren), derer man habhaft werden konnte, Männer, in denen man Soldaten vermutete – der Besitz von ein Paar Stiefeln oder eines Monturstückes genügte – ebenso Männer, die ihre Frauen und Töchter verteidigen wollten, wurden sofort erschossen oder erschlagen. Die Möbel von geflüchteten Personen, alles an Kleidern, Wäsche usw. wurden auf LKW verladen und nach Rußland geschafft, der weniger kostbare Besitz zum Fenster hinausgeworfen oder in Müll- Kies- und Sandgruben geschafft, alles zertrümmert. Deutsche Frauen mußten, in Kolonnen eingeteilt, wochenlang diese „Räumung“ unter Aufsicht von Flintenweibern und russischen Troßknechten unter entsprechender Behandlung vornehmen. Sämtliche Krankenhäuser wurden von allen Einrichtungsgegenständen geräumt, bis auf die Lichtschalter demontiert, die sanitären Anlagen zertrümmert. Furchtbarster Vandalismus mit allen nur erdenklichen Roheiten.
Alle Männer und Jungen von 14 bis 65 Jahren wurden eingefangen, in Fabrikräumen eingesperrt und dann nach Zentralrußland abtransportiert. Kaum zehn von den vielen Hunderten sind bisher zurückgekehrt. Drei Nachbarpfarrer wurden erschossen bzw. erschlagen. Einer, weil er ein Paar langschäftige Stiefel besaß (also SS-verdächtig), der zweite, als er in seine Tasche griff, um seinen Rosenkranz herauszuholen, der dritte, weil er sich eines von russischen Soldaten erschossenen neunjährigen Knaben annahm. Zwei meiner Dekanatsgeistlichen wurden mit nach Rußland geschleppt, obwohl sie sich als Geistliche auswiesen. Einer kehrte voriges Jahr zurück, der zweite (mein Kaplan) starb im Gefangenenlager.
Während des ganzen Sommers 1945 und auch noch 1946 wurden Frauen und Mädchen zusammengetrieben oder auf der Straße abgefangen und oft in notdürftiger Kleidung, so wie sie gefangen wurden, zur Erntearbeit nach dem Osten geschafft. Nach Monaten erst kehrten sie körperlich und seelisch demoralisiert zurück. Viele Hunderte haben bis heute ihre Heimat noch nicht wiedergesehen.
Ein gräßliches Drama war der Abtrieb des Viehes. Durch Wochen, bei Tag und Nacht, wurden unübersehbare Herden von Pferden, Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen auf Straßen, und als diese nicht mehr genügten, über Stock und Stein nach dem Osten getrieben. Im Kreise Grünberg durfte jedes Dorf nur noch eine Kuh behalten. Welch grauenhafte Szenen konnte man da erleben! Auf den Dörfern wurde der gesamte Vorrat an Getreide, Kartoffeln und jeglichen Lebensmitteln beschlagnahmt und abgeschleppt, ebenso die riesigen Lebensmittellager der Kaufleute. Die Leute wurden angewiesen, sich aus den Kellern der Geflohenen die kleinen Bestände an Vorräten und Eingewecktem für ihren Lebensunterhalt zu holen. Eine allgemeine Hungersnot mit allen ihren Krankheitserscheinungen brach aus, Seuchen und Epidemien drohten. Für tagelange schwerste Arbeiten erhielten die Leute nur ein Stückchen trockenes Brot.
Das größte Unglück für Grünberg waren die gewaltigen Vorräte an Wein, Sekt und Cognac sowie Schnäpsen alter Art. Grünberg war ja als Weinbauland führend in Schlesien in der Getränke-Industrie. Dazu waren noch die bekannten Weingroßlager von Bremen und anderen westdeutschen Orten im Kriege nach Grünberg verlagert worden. Die Bestialität und die Orgien der ständig besoffenen russischen Soldateska überstiegen jedes vorstellbare Maß. Grausamkeiten und Vergewaltigungen ohne Maß und Zahl auf offenen Straßen und Plätzen. In der Osterwoche 1945 wurden die Tresore sämtlicher Grünberger Banken und Sparkassen von russischen Offizieren gesprengt und ausgeplündert. Der Kommandant der NKWD (GPU) rühmte sich mir gegenüber, man hätte in den Tresoren allein über sechseinhalb Zentner an Gold und Edelsteinen gefunden. Er selbst trug in allen seinen Taschen ganze Hände voll goldener Ketten, Uhren, Ringe und kostbaren Schmuckes bei sich. Er hat mir sie selbst gezeigt. Kostbare Archivalien gingen bei diesen Sprengungen zugrunde.
Im Schloß der Exkaiserin Hermine in Fürsteneich, Kreis Grünberg, war der größte Teil des Staatsarchivs Breslau untergebracht. Das Schloß liegt zwischen Oder und den Fürsteneicher Seen. Zu Tausenden sah man die unersetzlichen Urkunden mit ihren kostbaren Siegeln vom Winde verweht auf den Oderauen oder auf dem Wasser der Seen treiben. Alle kostbaren Möbel, Kunstgegenstände, Bücher und Archivalien durch die Fenster in den großen Burggraben gestürzt. Ein Grauen ohne Ende! Das sind nur die hauptsächlichsten Momente der leidvollen Ereignisse aus der Russenzeit. Die grauenvollen Einzelereignisse aufzuzählen und zu beschreiben ist unmöglich, das müßte ein Roman werden, den kein Mensch glauben und verstehen würde, der ihn nicht selbst erlebt hat.
Am 8. Mai 1945 zog mit Musik ein polnisches Eisenbahner-Regiment in Grünberg ein, gefolgt von einem Schwarme beutelüsterner Polen, und nun verdoppelte sich alles Unglück und Leid. Die Polen gebärdeten sich als unumschränkte Herren. Infolgedessen kam es bisweilen zu schlimmen Auseinandersetzungen und wüsten Schießereien mit den Russen. Täglich und allnächtlich gab es Tote und Verwundete. Die Russen behielten die militärischen Kommandanturen besetzt, die Polen die zivilen Verwaltungsstellen.
Im Mai wurde der Kreis Grünberg/Schlesien von der Provinz Schlesien abgetrennt und zur Provinz Posen geschlagen, wie man sagte, als „militärischer Brückenkopf“ links der Oder zur Abwehr der Deutschen. Auch kirchlich wurden wir Kardinal Hlond-Posen, später dem päpstlichen Administrator Nowicki in Gorzow (Landsberg/Warthe) unterstellt.
Alle Privatwohnungen mußten von Deutschen verlassen werden, und diese wurden unter Zurücklassung ihrer gesamten Habe in den Elendsquartieren und Hintergassen und Hinterhäusern der Stadt, bis acht Parteien in einem Raum, zusammengepfercht. Das Elend war unbeschreiblich! Die Deutschen erhielten keine Lebensmittelkarten, sondern mußten sich durch schwerste Sklavenarbeit bei Aufräumungsarbeiten in der Stadt oder Feldarbeiten auf dem Lande das kärgliche Brot verdienen. Eine furchtbare Hungersnot brach unter den Deutschen aus, Elend und Krankheiten. Der Schwarze Markt feierte Triumphe, aber kein Deutscher durfte dort kaufen, noch konnte er es, weil er kein polnisches Geld besaß. Alte Leute und Kinder starben wie die Fliegen.
Sonntag, den 24. Juni 1945, kam mittags 12 Uhr wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel und zwar telefonisch, wie mir der polnische Bürgermeister erzählte – von der polnisch-kommunistischen Regierung in Lublin der Befehl, binnen sechs Stunden mußte der ganze Stadt- und Landkreis Grünberg von allen Deutschen geräumt werden. Alles sei in Richtung Lausitzer Neiße abzuschieben und zwar zu Fuß, nur fünf Kilogramm Gepäck durfte jede Person mitnehmen. Polnisches Militär rückte ein, und was jetzt an Roheit und Brutalität geschah, spottet jeder Beschreibung. Mit Schüssen, Gewehrkolben und Peitschen wurden die Deutschen ihrer ärmlichen Kleidung beraubt und ausgeplündert, auf die Straße getrieben und in Kolonnen in Marsch gesetzt. Diese Elendszüge gingen mehrere Tage bei Tag und Nacht durch Grünberg der Neiße zu. Nur Beamte und Spezialarbeiter durften noch bis auf weiteres verbleiben. In der Folgezeit wurde die Evakuierung nur in kleineren Gruppen (10 bis 20 Personen) ohne Rücksicht auf Familienzugehörigkeit vorgenommen. Der polnische Sicherheitsdienst drang immer zur Nachtzeit in Behausungen der Deutschen ein, griff eine Anzahl Personen heraus, schaffte sie ins Gefängnis oder transportierte sie ab. Bei diesen Transporten wurden die armen Menschen in unbeschreiblicher Weise mißhandelt und bis aufs letzte ausgeraubt. Alle Ausfallstraßen- und -wege nach dem Westen zur Neiße hin sind mit Gräbern der Zusammengebrochenen übersät.
Als die ausgetriebenen Massen am 24. bis 26 Juni 1945 an die Neiße kamen, war diese durch fortwährende Regengüsse der letzten Tage so geschwollen, daß sie unpassierbar war, keine Brücke, kein Steg, kein Kahn weit und breit. Die Massen mußten tagelang im strömenden Regen unter freiem Himmel verbleiben, immer geängstigt und belästigt von plündernden, rabiaten Russen und Polen. Als der Regen und Hochwasser anhielten, wurden sie einfach, weil es zu lange dauerte und immer neue Flüchtlingstrecks hinzukamen, in die Neiße gejagt und mußten, bis zur Brust oder Hals im Wasser, das andere Ufer zu erreichen suchen. Augenzeugen berichten von zahlreichen Todesfällen älterer Leute an Schlag oder Ertrinken. In der Stadt Grünberg wurden in diesen Tagen (24. bis 26. Juni 1945) an die 3000 Personen ausgetrieben. Die Zahlen des Landkreises sind mir unbekannt.
Nach dieser Austreibung wurde die Lage der Zurückgebliebenen in der Stadt noch elender. Eigentum durften wir nicht mehr besitzen. – Ein trauriges Kapitel, auch im Verhalten der polnischen Geistlichen, das ich hier nur erwähne, im übrigen aber an den Vatikan berichtet habe.
Quelle: http://www.vho.org/D/Deutschland/df111200.html#sdfootnote6sym